Der Mensch ist ein zweiseitiges Wesen, das sowohl eine materielle als auch eine spirituelle Dimension besitzt. Die materielle Seite ist mit der sichtbaren Welt verbunden, während die geistige Seite Zugang zu den unsichtbaren, verborgenen Welten hat. So wie der Mensch mit seiner Zunge Speisen schmeckt, erfährt er mit seinem Herzen, seinem Verstand und seinem Gewissen die Realitäten der unsichtbaren Welt.
Der menschliche Körper ist eine Miniatur der materiellen Welt, während die Seele eine kleine Abbildung der unsichtbaren Welten darstellt. So wie der Körper alle physischen Gegebenheiten umfasst, enthält die Seele Ideen, Emotionen und Gedanken, die die geistigen Ebenen widerspiegeln. Der Mensch vereint in sich die Namen und Eigenschaften, die im gesamten Universum sichtbar werden, und wird somit zu einer kleinen Kopie des Buches des Universums. In ihm manifestieren sich alle Wesenszüge der Schöpfung in höchster Konzentration.
Der Mensch ist eine kleine Welt, eine komprimierte Darstellung des Universums. Alles, was im Universum existiert, findet sich in essenzieller Form auch im Menschen. Die gewaltige Dynamik des Universums spiegelt sich in unserem Körper wider: Ständiges Atmen, unaufhörliches Denken, wachsende Haare und sich erneuernde Zellen. So wie sich das Universum ständig wandelt, verändert sich auch unser Körper ununterbrochen.
Die Natur und der Mensch sind eng miteinander verwoben: Während ein Baum seine Äste wachsen lässt, gedeihen auch die Finger eines Babys. Im Herbst fallen nicht nur Blätter von den Bäumen, sondern auch Haare von den Menschen. Flüsse und der Blutkreislauf sind vergleichbar, Berge gleichen den Erhebungen des menschlichen Körpers. Diese Analogien verdeutlichen die tiefe Verbindung zwischen dem Menschen und der Welt.
Das „Ich/Ene“ als Maßeinheit
Das menschliche „Ich“ existiert nicht in absoluter Form, sondern dient als Maßeinheit für das Verstehen der göttlichen Attribute. Um Macht zu begreifen, muss der Mensch eigene Kraft erleben; um Weisheit zu erkennen, muss er Wissen besitzen. Doch all diese Attribute sind ihm nur ausgeliehen, um die Eigenschaften des Schöpfers nachzuvollziehen. Das „Ich“ existiert somit, um die Perfektion der göttlichen Namen zu ermessen und zu verstehen.
Das „Ich/Ene“ als Tor zur Erkenntnis Gottes
So wie eine Waage nur dann eine Bedeutung hat, wenn sie wiegt,so gewinnt das „Ich“ erst Sinn, wenn es die göttlichen Eigenschaften wahrnimmt und reflektiert. Der Mensch soll dadurch erkennen, dass alles, was er besitzt, letztlich von Gott stammt und Ihm allein gehört.
Die besondere Stellung des Menschen
Viele betrachten die Weite des Universums als Beweis für die Unbedeutsamkeit des Menschen. Doch obwohl der Mensch nur ein Staubkorn im Universum ist, besitzt er eine erhabene Stellung. Er wurde vom Schöpfer geadelt und als Spiegel Seiner Namen geschaffen. Der Mensch hat das Potenzial, sich über Engel zu erheben und als Diener Gottes auf Erden zu agieren. Kein anderes „Staubkorn“ im Kosmos kann eine solche Würde für sich beanspruchen.
Da das Absolute keine Grenzen hat, kann es ohne eine Form der Begrenzung nicht wahrgenommen werden. Licht kann erst dann erkannt werden, wenn es durch Schatten kontrastiert wird. Ebenso sind Gottes Namen und Attribute allumfassend und absolut, weshalb eine imaginäre Begrenzung erforderlich ist, um sie zu begreifen.
Das „Ich“ übernimmt diese Funktion. Es zieht gedankliche Grenzen, indem es sich selbst als unabhängig betrachtet und damit eine Schranke zur absoluten Existenz Gottes bildet. So versteht der Mensch die göttliche Herrschaft durch das Bewusstsein seiner eigenen, begrenzten Autorität. Er erkennt den göttlichen Besitz durch seinen eigenen kleinen Besitz und begreift die Allwissenheit Gottes durch sein beschränktes Wissen.
Auf diese Weise dient das „Ich“ als eine Brücke zur Erkenntnis Gottes. Es erlaubt dem Menschen, sich den göttlichen Attributen zu nähern und sie in einer fassbaren Weise zu verstehen.
Der Zweck unserer Existenz
Der allmächtige Schöpfer hat uns in diese Welt gesandt, damit wir Ihn erkennen und verstehen. Der Mensch ist ein Spiegel der göttlichen Namen und Eigenschaften. Durch die Betrachtung seiner Selbst und des Universums kann er die Zeichen Gottes lesen und Ihn in Seiner Majestät erkennen.
Vgl. 30 Wort/Söz, Said Nursi, Vgl. 24. Wort/Söz, Said Nursi, Vgl.32. Wort/Söz 3. Station, Said Nursi